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Friedensverhandlungen

Aktualisiert: 21. Mai 2023

Wer macht den ersten Schritt?

Eigentlich wollte ich zu diesem Thema nichts schreiben, weil ich mir nicht anmaßen möchte aus einem Land heraus, einer Welt, in der es mir gut geht, zu sagen wie sich andere – konkret die sich bekriegenden Parteien – zu verhalten haben. Was mich nun doch zu diesem Blogartikel veranlasste, war eine Frage aus der kürzlich im deutschen Fernsehen ausgestrahlten Diskussion zwischen dem Moderator Markus Lanz und der Politikerin Sahra Wagenknecht zum Thema Friedensverhandlungen. Doch dazu später mehr.

Als Trainer für wertvolle Kommunikation habe ich mich dem offiziellen Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Russland und der Ukraine vor gut einem Jahr häufig gefragt, ob es nicht einen andern Weg gäbe, als die, die man bisher eingeschlagen hat, um die Situation zu ändern, wenn nicht zu befrieden.

Andere mögliche Strategien

Gibt es definitiv. Die Seite ICNVC (international centre for nonviolent conflict) zeigt in einigen Videos wie Gewaltloser Widerstand funktioniert hat und funktioniert. 52 Prozent der gewaltlosen Widerstände sind erfolgreich gewesen, wohingegen nur 26 Prozent der gewaltsamen Aufstände zum gewünschten Effekt geführt haben (Quelle http://abfang.org/gewaltfreiheit/erfolge-gewaltlosen-widerstands/).

Horizont erweitert

Gleichzeitig habe ich mich mit der Geschichte der Ukraine beschäftigt – mit dem Ergebnis, dass mir die Hartnäckigkeit, mit der jeder Zentimeter Territorium nicht nur verteidigt, sondern rückerobert werden soll, verständlicher scheint. Ich will hier gar nicht allzu sehr ins Detail gehen. Aber ein für mich sehr erhellender und inspirierender Artikel findet sich auf dem Nachrichtenportal von T-Online: „Für Putin ist das ein Fall von Verrat“ https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/krisen/id_100128052/warum-hasst-putin-die-ukraine-eigentlich-experte-erklaert-kriegsgruende.html

Dieser Artikel beleuchtet die Geschichte der Ukraine und Russlands. Er gewährte mir einen Einblick in beide Seiten – etwas, was mir sehr wichtig ist. Um Konflikte zu lösen, und Kriege haben ihren Ursprung in Konflikten, ist es wichtig, beide Parteien zu verstehen. Was nicht damit gleichzusetzen ist, die Tat, die gewählte Strategie anzuerkennen oder gutzuheißen. Wie gesagt, ich maße mir hier nicht an, zu sagen, wie die beiden Kontrahenten zu agieren hätten oder was der Weisheit letzter Schluss ist.

Aber ich schweife aus 😉

Zurück zur Diskussion zwischen Markus Lanz und Sahra Wagenknecht https://www.youtube.com/watch?v=bWVK8joMNWU

Friedensverhandlungen – Warum soll der Westen einlenken?

Markus Lanz stellte die Frage an Sahra Wagenknecht: „Warum solle ausgerechnet der Westen für Friedensgespräch einlenken.“ Sie fordere nie Putin auf, Friedensverhandlungen anzustreben.

Leider blieb diese Frage letztendlich unbeantwortet. Wagenknecht wies des öfteren auf Ansätze zu Friedensgesprächen hin, die in der Folge vom Westen abgeblockt worden seien. Doch eine richtige Antwort hörte ich nicht.

Für mich ergäbe es durchaus Sinn, dass der Westen diesen Schritt macht.

Warum?

Wenn jemand – in diesem Fall politischen Entscheidungsträger Russlands – einen anderen Staat angreift, regiert nicht der Verstand. Die einzelnen Schritte sind zwar strategisch durchdacht, der Verstand jedoch ist so eingeengt, dass nur diese eine Strategie als einzig „sinnvolle“ Maßnahme möglich scheint, um Bedürfnisse erfüllt zu bekommen. Diese können beispielsweise sein „gesehen werden“, „Schutz” oder so seltsam es auch klingt sogar „beitragen“, denn die Überzeugung zum Wohle der eigenen Bevölkerung zu handeln, mag vielfach authentische Triebfeder sein. Wie gesagt: Man muss deshalb die gewählte Strategie bei Gott nicht anerkennen. Aber die Bedürfnisse dahinter zu sehen gibt uns die Chance aufeinander zuzugehen.

Ein Mensch oder in diesem Fall ein Land, das sich (gewaltsam) verteidigt, hat in dem Augenblick ebenfalls gerade nur diese eine Strategie auf dem Radarschirm, um sich seine Bedürfnisse zu erfüllen (jene nach Schutz, Wahrung der Grenzen, etc.)

Wie können zwei Parteien, die sich seit Jahrhunderten bekriegen, geleitet von Hass, Angst und Überlebenstrieb an Friedensverhandlungen denken? Das wird meines Erachtens nicht funktionieren, denn in diesem Zustand und Gefühlswirrwarr hat das Gehirn nicht mehr das Kommando über.


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Fehlerkultur

Was erschwerend hinzu kommt, ist die mangelnde Fehlerkultur.

(Achtung Beurteilung) Für Politiker gibt es nichts Schwierigeres, als Fehlhandlungen einzugestehen. Vor allem aus Angst, das Gesicht zu verlieren.

Auch wenn Putin einsehen würde, dass er sich verkalkuliert hat oder besser erst gar keine Offensive hätte starten sollen, so würde er dies nicht zugeben (können) – genauso wenig wie unsere Politiker in der Lage sind, ihre Fehlhandlungen offen zuzugeben.

Hier käme jetzt der Westen, oder besser gesagt in meinen Augen Europa, ins Spiel.

Unparteiisch auf beide Seiten zugehen, sie zum Verhandlungstische bringen und für Frieden zu sorgen, das ist das, wo ich die Aufgabe des Westens sehe. Hier hätte sich auch Österreich mit seiner Neutralität für Friedensverhandlungen stark machen können.

Neutralität unterstützt Friedensverhandlungen

Ich bin erschüttert und es macht mich traurig wie unsere Politiker heute zum Thema Neutralität stehen.

Für mich ist die Neutralität ein wichtiges Gut, ein hoher Wert, weil das für mich der Grundstein für Verhandlungen sind. Aus einer neutralen Position heraus kann ich vermitteln.

Ich glaube auch, dass neutral sein heute oft fehlinterpretiert wird. Neutral heißt nicht, dass ich keine Meinung zu den Geschehnissen haben darf. Wenn ich friedliche Lösungen anstrebe, ist es wichtig, über die Handlung zu sprechen und nicht den Menschen zu bewerten. Das ist sehr schwer, vor allem wenn man in diesem Fall wie die Ukraine das Opfer ist. Deshalb wäre es so wichtig, dass eine außenstehende dritte Partei vermittelt.

Und genauso wenig wie Anerkennen bedeutet, Handlungsweisen zu akzeptieren, genauso wenig heißt Neutral sein alles zu akzeptieren, was geschieht.

Neutral sein heißt nicht, sich herauszuhalten – im Gegenteil: Durch die neutrale Haltung erwächst eine gute Chance zu vermitteln eben in Friedensverhandlungen einzusteigen

Dazu möchte ich einen Vergleich bringen oder besser gesagt eine Frage stellen.

Ihr als Eltern wünscht ihr euch am Schulhof eine Begleiterin, einen Begleiter, die/der das angegriffene Kind bewaffnet, damit es sich wehren kann – aber gerade nur so viel, dass es so recht und schlecht Widerstand leisten kann? Oder wäret ihr dafür, dass die Person neutral dazwischen geht und den Streit schlichtet?

Denkt daran: Auch euer Kind kann einmal der Angreifer sein, auch wenn man das nicht wahrhaben will.

Ernsthafter Widerstand

Eines möchte ich noch zu dem oben erwähnten Artikel aus T-Online sagen.

Nachdem ich diesen Artikel gelesen hatte war ich stark berührt über den Schmerz, den die ukrainischen Menschen durch die politischen Machthaber in Russland erfahren hatten.

Gleichzeitig stieg in mir aber der Gedanke hoch: „Lassen sich die politischen Machthaber in der Ukraine zu Opfern machen? Und zwar hier nicht nur von Russland sondern auch vom Westen? Denn während unsere Machthaber und jene, die mit dem Krieg Geld verdienen, propagieren, „die Ukraine verteidigt die westlichen Werte“, sterben genau auf diesem Boden unzählige Menschen, auch Zivilisten und Zivilistinnen. Militärisch gesehen scheint die Unterstützung, die man der Ukraine zuteil werden lässt, gerade ausreichend, damit sich das Land halbwegs selbst verteidigen kann, aber keineswegs genug, um den Krieg zu stoppen. Was das Leid für mich nur erhöht.

Ich persönlich möchte nicht, dass mehr Waffen geliefert werden. Ich möchte, dass der Krieg beendet wird. So bleibt mir manchmal nur die Interpretation, dass der Westen mit seiner Vorgangsweise die Ukraine opfert.

Wollte man, dass sich die Ukraine mithilfe der gelieferten Waffen zur Wehr setzen kann, dann bräuchte es wohl mehr Unterstützung. Das gleicht einem Tanz auf dem Rande des Vulkankraters. Denn niemand vermag einzuschätzen, welche Schritte Putin dann setzt. Man ist gefangen in der moralisch-ethischen und auch der Angst-Zwickmühle.

Dabei hätte man meines Erachtens am Anfang noch klarere Signale setzen können, beispielsweise indem man Flugverbotszonen und ähnliches errichtet hätte. Jetzt aber hat man bereits eine Eskalationsstufe nach der anderen beschritten. Die Gefahr, dass die Lage vollends entgleist ist durchaus gegeben und groß, wenn der Westen sich noch stärker einmischt.

Gedankenspiel

Zum Abschluss möchte ich auch zum Thema Waffenlieferung eine Frage stellen:

Wäret ihr auch dafür, wenn eure Kinder an der Front kämpfen MÜSSTEN?

Das ist eine Frage, die ich mir immer wieder stelle. Warum gibt es in Kriegen eine Zwangsverpflichtung, wenn doch die Herrschenden glauben, dass jeder gerne in den Krieg zieht, um sein Land zu verteidigen?

Danke für’s bis hierher lesen und mitverfolgen meiner Gedanken. Ich freue mich auf Eure konstruktiven Kommentare und Sichtweisen.

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